4. Interviews für Blogbeiträge, Podcasts und Videos

Dieses Video ist einer von vier Impulsen unserer Reihe „Wald, Mensch, Perspektiven – Konflikte verstehen, Lösungen gestalten“. Es zeigt, wie Podcasts, Videos und Blogs als Formate genutzt werden können, um Menschen zu erreichen – also wie Inhalte aufbereitet werden können, welche Formate sich für welchen Dialog eignen und wie unterschiedliche Perspektiven sichtbar gemacht werden, um die Diskussion über Konflikte im Wald anzustoßen.
Auf Grundlage unserer Forschung wird deutlich, wie unterschiedliche Interessen im Wald aufeinandertreffen und wie sich solche Konflikte gemeinsam und nachhaltig bearbeiten lassen. In den vier Videoimpulsen der Reihe stellen wir verschiedene deliberative Methoden vor, die wir in unseren Fallregionen erprobt haben. Die weiteren drei Videos der Reihe finden Sie in den Kapiteln 1, 3 und 5.
Überblick über das Kapitel: Weil man sich persönlich meist nur in kleiner Runde austauscht, kann es sinnvoll sein, über Blogbeiträge, Podcasts oder Videos ein größeres Publikum in die Deliberation einzubeziehen. In diesen Beiträgen können Sie die Perspektiven und Argumente einzelner Konfliktparteien einfühlsam darstellen. Ihre Beiträge können den Stand der Debatte so zusammenfassen, dass ihn alle als ausgewogen und umfassend anerkennen. Sie können in den Beiträgen auch neue Vorschläge vorstellen und diese auf ihre Vorzüge und Schwachstellen abklopfen. Das Publikum hat wiederum die Möglichkeit, auf Ihren Beitrag zu reagieren, sodass die Diskussion online weitergeführt wird. 
In diesem Kapitel gehen wir zunächst im Abschnitt 4.1 auf die Besonderheiten einer medial vermittelten Deliberation ein: Sie erfolgt nicht nur zeitversetzt, sondern erstreckt sich vor allem über verschiedene Kommunikationskanäle. Das macht es nötig, dass jemand den Überblick behält und die verschiedenen Kommunikationsstränge miteinander verknüpft – jemand wie Sie. Bevor wir im Abschnitt 4.3 ganz praktisch über das Schreiben von Texten sowie das Aufzeichnen und Schneiden von Podcasts und Videos sprechen, widmen wir uns vorher im Abschnitt 4.2 um die wichtigste Grundlage dieser Beiträge: die Stimmen der verschiedenen Konfliktbeteiligten. Im Journalismus wird in Interviews kritisch nachgehakt, und die Interviewpartner werden mit Erwiderungen und vielleicht sogar Vorwürfen konfrontiert. Im Gegensatz dazu stellen wir konstruktive Fragetechniken vor, die sich für eine Deliberation besser eignen. Zum Schluss geben wir noch einige Ratschläge zum Moderieren von Kommentaren (Abschnitt 4.4) und zum Weiterlesen (Abschnitt 4.5).

4.1 Medial vermittelte Deliberation

Früher musste man den Kollegen am Telefon erwischen, um etwas abzusprechen. Heute schickt man ihm eine Sprachnachricht und er reagiert eine halbe Stunde später mit einem Daumen-hoch-Symbol. Früher musste man auch zu einer bestimmten Zeit den Fernseher oder das Radio einschalten, um zu erfahren, was in der Welt geschehen ist. Heute rechnet man damit, dass einen die Nachrichten schon finden – egal, ob man gerade seine Mails durchforstet oder durch seinen Instagram-Account scrollt. Die Kommunikation ist damit vielfältiger, flexibler und offener geworden – aber auch weniger übersichtlich.
Im Projekt „Wir im Wald“ haben wir auf einer Website Text-, Audio- und Videobeiträge über unsere beispielhaften Konfliktfälle veröffentlicht und zudem einen Facebook- und einen Instagram-Kanal bespielt. Das war möglich, weil wir auf die Unterstützung von rund 40 Studierenden zählen konnten. Ohne viele Helferinnen und Helfer dürfte das für Sie keine Option sein, weil Sie sich verzetteln würden. Daher sollten Sie sich vorab die Frage stellen, welche Kommunikationskanäle für Sie relevant sind. Die Antwort hängt davon ab, auf welchen Kanälen sich die Beteiligten über den Konflikt informieren oder sich dazu äußern. Wenn die Konfliktparteien Leserbriefe an die Lokalzeitung schreiben, dann wäre die Zeitungsredaktion ein Ansprechpartner für Sie: Sie könnten anbieten, einen Gastbeitrag zu schreiben oder in einem Interview Fragen zum Konflikt zu beantworten. Wenn Ihre Einrichtung einen Newsletter hat, der von den Konfliktbeteiligten gelesen wird, ist auch das ein gutes Medium für den Austausch. Und so weiter und so fort.
Man könnte nun meinen, dass dieser zeitversetzte Austausch nicht die besten Bedingungen für eine Deliberation bietet, da der persönliche Kontakt fehlt. Doch manchmal ist gerade ein zeitversetzter Austausch sinnvoll, weil man sich gegenseitig Zeit zum Nachdenken gibt und Gelegenheit hat, die Fakten und Argumente einmal übersichtlich zusammenzustellen. Beides gelingt im direkten Gespräch und bei Diskussionsrunden eher selten – diese Formate des Dialogs haben andere Stärken (siehe Kapitel 3). 
Screenshots der studentischen Website wir-im-wald-magazin.de und des dazugehörigen Instagram-Kanals. (Quelle: Wir im Wald)
Die Herausforderung bei medial vermittelten Debatten ist vielmehr, dass man meist nicht alle Konfliktbeteiligten auf einem Kommunikationskanal versammeln kann. Die einen lesen Zeitung, die anderen nicht. Die einen sind über eine Facebook-Gruppe organisiert, die anderen sind auf LinkedIn vernetzt. Mit einem Beitrag allein erreichen Sie also nicht alle, die Sie erreichen möchten. Aber Sie können zwischen den Gruppen vermitteln. Die digitalen Plattformen unterstützen Sie dabei, denn Sie können nicht nur einen Inhalt auf mehreren Kanälen gleichzeitig ausspielen, Sie können zudem die Kommunikationskanäle miteinander verknüpfen. Im Projekt haben wir das etwas flapsig „Pendeldiplomatie“ genannt: Man spricht mit der einen Seite, berichtet darüber auf dem Kanal der Gegenseite – und holt dann eine Erwiderung der Gegenseite ein und veröffentlicht diese auf dem Kanal der ersten Gesprächspartner. Das klingt nach viel Arbeit, die Sie ohne personelle Unterstützung nicht stemmen können, doch es ist möglich, wenn Sie sich auf die richtigen Kanäle konzentrieren und die einzelnen Publikationen miteinander verzahnen.
Wichtig ist als Erstes, dass Sie wissen, welche Informationen die Debatte voranbringen könnten. Nehmen wir beispielsweise an, im Wald bleibt zu viel Müll liegen. Sie möchten besprechen, woran das liegt und was man dagegen tun kann, und laden zu einem Waldspaziergang ein. In den Gesprächen stellen Sie fest, dass die Ursachen vielfältig sind und es kein Patentrezept gegen das Müllabladen gibt. Ihre Schlussfolgerung lautet: Man muss die verschiedenen Quellen des Mülls einzeln betrachten. Also versuchen Sie, in der Debatte zu differenzieren und nicht alle Beteiligten über einen Kamm zu scheren. Sie haben beim Waldspaziergang verschiedene Tipps mitgeschrieben, die für unterschiedliche Nutzergruppen relevant sein könnten, und möchten nun herausfinden, wie die jeweiligen Nutzergruppen darauf reagieren. Nehmen sie die Ratschläge an oder finden sie den Tonfall unangemessen, haben sie Fragen oder weitere Vorschläge?
Sie überlegen sich folgenden Plan: Sie schreiben einen Beitrag für die Website Ihrer Einrichtung, erläutern dort die Problematik und listen die Ratschläge auf – getrennt nach Nutzergruppen. Ein Teil richtet sich an Jugendliche, die im Wald feiern möchten, ein anderer an Anwohnerinnen und Anwohner, die ihre Gartenabfälle entsorgen müssen. Ein weiterer ist für Touristinnen und Touristen, die ein Picknick im Wald planen, und einer für Anglerinnen und Angler, die einen Abend am Waldsee verbringen. Da Sie davon ausgehen, dass kaum jemand aus diesen Gruppen Ihre Website besucht, koppeln Sie einzelne Teile aus Ihrem Beitrag aus und spielen sie in anderen Kanälen aus: Sie nehmen drei Tipps für Jugendliche, kombinieren die knapp formulierten Aussagen mit einem passenden Foto und gestalten daraus eine Bildkachel für den Instagram-Kanal des örtlichen Jugendzentrums (siehe zu Social Media auch Kapitel 5). Die anderen Gruppen erreichen Sie mit gekürzten Versionen Ihres Website-Textes über das Gemeindeblatt, die Mitgliederzeitschrift des Angelvereins und ein Faltblatt, das in den örtlichen Hotels ausgelegt wird. Für das Faltblatt nutzen Sie die Design-Vorlage eines digitalen Anbieters wie Canva, sodass Sie nur die Texte und Bilder einfügen müssen. 
Über QR-Codes oder Links laden Sie Ihr Publikum zum Feedback ein (siehe dazu auch Abschnitt 4.4), und diese Rückmeldungen bieten Stoff für die nächste Diskussionsrunde – oder, falls die nächste Veranstaltung noch in weiter Ferne ist, Stoff für einen zusammenfassenden Artikel auf der Website Ihrer Einrichtung. Dort können Sie die interessantesten Reaktionen zitieren, verlinken oder einbetten. Auf diese Zusammenfassung können sich Andere in ihren folgenden Diskussionsbeiträgen stützen.
Gedanken machen sollten Sie sich über Ihre Rolle in diesem Austausch. Wenn Sie bestimmte Interessen vertreten, sollten diese ebenso sichtbar werden wie Ihr Ziel: Möchten Sie die Ursachen eines Konflikts untersuchen, Gräben zwischen den Konfliktparteien überbrücken oder in einer ausweglos erscheinenden Situation kreative Lösungsideen finden? Sehen Sie sich als neutrale Unterstützung in diesem Prozess oder wünschen Sie sich ein bestimmtes Ergebnis? Je deutlicher Sie Partei sind in einem Konflikt, desto schwieriger wird es für Sie sein, die Debatte zu moderieren oder digital zusammenzuführen.

4.2 Interviewtechniken

In praktisch jedem Medienbeitrag, den Sie als Beitrag zu einer Deliberation veröffentlichen, werden Sie verschiedene Personen oder Einrichtungen zitieren. Die Zitate können aus anderen Medienbeiträgen oder veröffentlichten Stellungnahmen stammen, oder aus Kommentaren wie im Beispiel des vorherigen Abschnitts 4.1. Am lebendigsten wird Ihr Beitrag aber wirken, wenn Sie selbst mit verschiedenen Personen sprechen – also Interviews führen. Sie zitieren aus diesen Interviews nicht so sehr die sachlichen Feststellungen (beispielsweise: „Jeder zweite Baum ist vom Borkenkäfer befallen.“), sondern vielmehr die Aussagen, die zeigen, wie die Person über den Konflikt denkt (beispielsweise: „Ich finde, wir haben zu spät auf den Befall reagiert.“). So können Sie deutlich machen, worum es den Konfliktparteien geht – worüber gestritten wird und wo man sich einig ist.
Wir verwenden den Begriff des Interviews, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht um ein normales Gespräch handelt. Sie stellen Ihre Fragen nicht aus persönlichem Interesse, sondern im Namen Ihres Publikums. Ihr Ziel ist nicht ein freundliches Gespräch, sondern Sie sind darauf aus, die Position Ihres Gegenübers zu verstehen. Dazu müssen Sie unter Umständen auch kritisch nachhaken (beispielsweise: „Warum haben Sie nicht früher auf den Borkenkäfer reagiert?“). Allerdings empfehlen wir Ihnen nicht, so konfrontativ zu fragen wie in einer politischen Talkshow. Solche Diskussionsrunden leben davon, dass die Unterschiede zwischen den politischen Positionen deutlich werden – man kann sogar sagen, sie sind auf Streit ausgelegt: Die Konfliktparteien werden dort immer wieder aufgefordert, die Gegenseite zu kritisieren. So lernt man im Idealfall die Stärken und Schwächen einer politischen Position kennen, das ist das journalistische Ziel. Für die Zwecke der Deliberation ist das aber nicht immer nützlich. In der Deliberation können die Konfliktbeteiligten im Idealfall selbst beurteilen, ob ein Lösungsvorschlag auch für die Anderen akzeptabel wäre, weil sie deren Interessen kennen. Daher empfehlen wir Ihnen, vor dem kritischen Nachhaken erst einmal konstruktive Fragen zu stellen.
Studierende interviewen Wintersportler am Hirschberg in Bayern. (Quelle: Wir im Wald)
Die konstruktiven Fragen zielen darauf ab, Verständnis für unterschiedliche Sichtweisen zu wecken und die Möglichkeit einer Einigung in den Blick zu nehmen. Hier einige Beispiele:
Wenn die Konfliktbeteiligten zu sehr darauf fokussiert sind, ihre jeweiligen Sichtweisen vorzustellen und ihre Argumente zu präsentieren, können Sie sie zu einem Perspektivwechsel auffordern: „Was würden Sie gerne von XY besser verstehen?“ Die Antwort wäre eine Einladung an XY, sich zu diesem Thema zu äußern.
Da Menschen dazu neigen, vor allem die negativen Dinge in Erinnerung zu behalten, lohnt es sich, den Blick auf das Positive zu lenken: „Gab es zuletzt Begegnungen im Wald, die Ihnen Freude bereitet haben?“ Oder: „Hatten Sie auch schon gute Gespräche über den Konflikt?“
Um eventuelle Gemeinsamkeiten festzustellen, auf denen eine Einigung aufbauen könnte, könnten Sie fragen: „Gibt es etwas an der Position von XY, das Ihnen gefällt – und sei es nur ein Detail?“
Manchmal hakt es in der Deliberation und der Austausch gerät ins Stocken. Falls Sie diesen Eindruck haben, könnten Sie fragen: „Was wäre aus Ihrer Sicht nötig, damit der Dialog wieder in Gang kommt?“ Oder: „Was würde Sie wieder optimistisch stimmen?“
Und falls Ihnen Ihr Gegenüber mit Misstrauen begegnet, könnten Sie das Gespräch mit der Frage einleiten: „Was, befürchten Sie, werde ich falsch verstehen?“ So zeigen Sie Ihre Offenheit für neue Argumente und geben Ihrem Gegenüber zugleich die Gelegenheit, sich zu erklären.
Wenn Sie in Ihren Interviews nicht nur fragen, was Ihr Gegenüber über den Konflikt denkt, sondern auch konstruktive Fragen einbinden, dürften Sie viel Material erhalten, aus dem Sie in Ihrem Blogbeitrag, Podcast oder Video zitieren können. Sie sollten zudem darauf achten, dass Sie nicht nur eine Frage nach der anderen abhaken, sondern aktiv zuhören, um wirklich zu verstehen, worauf es Ihrem Gesprächspartner ankommt. Damit ist echtes Interesse gemeint, das eine Person nicht vorschnell einsortiert, sondern ihr erlaubt, sich mit ihren Ecken und Kanten zu präsentieren. Sie soll sich gehört und gesehen fühlen – und nicht den Eindruck bekommen, man benötige nur zwei, drei Zitate von ihr. Eine einfache und doch anspruchsvolle Technik besteht darin, das soeben Gehörte mit eigenen Worten wiederzugeben. Damit geben Sie Ihrem Interviewpartner die Chance zu beurteilen, was von dem Gesagten bei Ihnen angekommen ist. Ihr Gegenüber kann Sie dann so lange korrigieren, bis Sie es hundertprozentig verstanden haben.
"In meiner Arbeit merke ich, dass sich die meisten Leute naturverträglich verhalten wollen. Die Frage ist für sie immer nur: wie funktioniert das? Das heißt, man muss ihnen zuhören, man muss sie mitnehmen und faszinieren für die Natur - dann kommt das naturverträgliche Verhalten von ganz allein."
Johanna Völkel
Gebietsbetreuung Mangfallgebirge
In einem Podcast haben Sie die Möglichkeit, das ganze Interview zu veröffentlichen oder zumindest einen großen Teil davon. Sie schneiden Versprecher und Äh’s heraus und vielleicht auch die eine oder andere Frage, die keine ergiebige Antwort erbracht hat. Dann fehlen nur noch eine kurze Einführung, die Sie auch nach dem Interview einsprechen können, und ein Ausblick am Ende (etwa ein Hinweis auf die nächste Folge). Für Blogbeiträge und Videos werden Sie hingegen nur Ausschnitte aus diesen Interviews verwenden. Sie werden vieles Interessante und Bemerkenswerte weglassen, weil Ihr Publikum nicht lange genug aufmerksam bleibt, um alles aufzunehmen. Sie müssen sich also auf das Wichtigste konzentrieren. Zu diesem Zweck dürfen Sie die Aussagen Ihrer Gesprächspartner kürzen. Sie schneiden also nur den Teil der Aussage heraus, der Ihnen am interessantesten erscheint. Sollte sich Ihr Interviewpartner ausgerechnet an dieser Stelle verhaspelt haben, haben Sie Pech, falls Sie einen Podcast oder ein Video produzieren. Idealerweise haben Sie das aber schon im Interview bemerkt – Ihre Frage daher wiederholt und um eine neue Antwort gebeten. Das ist nicht unüblich: Auch Medienprofis brauchen manchmal einen zweiten oder dritten Anlauf. Bei schriftlichen Beiträgen sind Sie hingegen flexibler: Dort haben Sie die Möglichkeit, die Aussage in indirekter Rede wiederzugeben und dabei umzuformulieren (freilich, ohne dabei den Sinn zu verändern). Sie können außerdem ein geändertes Zitat an Ihren Gesprächspartner zurückspielen und fragen, ob Sie es so verwenden dürfen. Solche Absprachen sind in der journalistischen Praxis Alltag.

4.3 Schreiben, drehen und schneiden

Wenn Sie für Blogs, Podcasts oder Videos texten, geht es nicht um einen geschliffenen Stil – es geht vielmehr darum, verstanden zu werden. Das ist gar nicht so einfach, weil Sie sich in Ihr Publikum hineinversetzen müssen, um sich dann zu fragen: Würde ich diesen Text an ihrer Stelle begreifen? Gerade wenn Sie sich in einem Bereich gut auskennen, wird es Ihnen schwerfallen sich vorzustellen, wie wenig andere Menschen von der Sache verstehen. Setzen Sie also nicht zu viel voraus und geben Sie Ihren Text vor der Veröffentlichung an einen oder zwei Testleser, die Ihnen eine ehrliche Rückmeldung geben. Sie werden sich wundern, was man alles missverstehen kann, obwohl Sie sich Mühe gegeben haben, klar und deutlich zu formulieren.
Inzwischen gibt es KI-Angebote, die Ihre Texte sauber redigieren können (siehe Abschnitt 4.5). Aber es lohnt sich, drei Regeln für verständliche Texte im Kopf zu behalten, die darauf ausgerichtet sind, das Verständnis zu erleichtern. Diese Regeln haben den Vorteil, dass Sie in praktisch allen Schreibsituationen eine gute Orientierung bieten und auch funktionieren, wenn Sie für Podcast oder Video texten:
Livestream des Waldspaziergangs über Instagram (Quelle: Wir im Wald)
➝ Verzichten Sie möglichst auf Schachtelsätze. Schreiben Sie also nicht: „Die Genehmigung für den Bike-Trail, der lange umstritten war, wurde nun erteilt.“ Teilen Sie die Aussage lieber auf zwei kurze Sätze auf: „Der Bike-Trail war lange umstritten. Nun wurde die Genehmigung erteilt.“ Oder schreiben Sie: „Die Genehmigung für den lange umstrittenen Bike-Trail wurde nun erteilt.“
Verzichten Sie möglichst auf Substantivierung und andere umständliche Wörter und ersetzen Sie sie durch Verben. Schreiben Sie also nicht: „Die Genehmigung für den lange umstrittenen Bike-Trail wurde nun erteilt.“, sondern schreiben Sie lieber: „Der lange umstrittene Bike-Trail wurde nun genehmigt.“
Verzichten Sie möglichst auf Formulierungen im Passiv, sondern bleiben Sie im Aktiv- was es erfordert, ein handelndes Subjekt zu nennen. Schreiben Sie also nicht: „Der lange umstrittene Bike-Trail wurde nun genehmigt.“, sondern schreiben Sie lieber: „Die Stadtverwaltung hat den lange umstrittenen Bike-Trail genehmigt.“
Für das Filmen von Videos benötigen Sie keine teure Kamera, denn schon Ihr Smartphone liefert brauchbare Aufnahmen. Wenn Sie in Technik investieren, dann als Erstes in den Ton. Denn eine schlechte Audioqualität stört mehr als eine schlechte Bildqualität. Es gibt Ansteckmikrofone, die Sie ohne Aufwand mit Ihrem Smartphone verbinden können. Und es gibt einige einfache Regeln, die Ihnen helfen, genügend Material für ein informatives und abwechslungsreiches Video zu erstellen:
  • ➝ Versuchen Sie, unterschiedliche Kameraperspektiven zu kombinieren. Nehmen wir an, Sie möchten zwei Meinungen zum Umgang mit einer Waldkalamität aufzeichnen. Ihre beiden Gesprächspartner stehen in einer Mondlandschaft. Sie könnten in Ihrem Video zunächst die Landschaft mit den beiden Personen zeigen (man spricht von einer „Totalen“), damit das Publikum weiß, wo das Video gedreht wurde. Wenn eine Person spricht, gehen Sie näher heran und zeigen die Person vom Kopf etwa bis zur Hüfte. Eine Nahaufnahme ist dann sinnvoll, wenn Sie ein Detail zeigen möchten: etwa ein Stück Rinde, das ein Gesprächspartner in der Hand hält, oder einen Setzling, der gerade gepflanzt worden ist.
  • ➝ Haben Sie Geduld beim Filmen und zeichnen Sie ein paar Sekunden mehr auf, als Sie am Ende benötigen werden. Wenn Sie einen Kameraschwenk planen: bleiben Sie einige Sekunden auf dem Anfangsbild, bevor Sie schwenken, und warten Sie am Endpunkt des Schwenks ebenfalls einige Sekunden, bevor Sie die Aufnahme stoppen. Wenn Sie die Szenen zu einem Video zusammenschneiden, haben Sie dann mehr Möglichkeiten.
  • ➝ Drehen Sie zusätzliches Material, auch ohne Personen im Bild: etwa einen abgesägten Baumstumpf oder die Spurrillen des Harvesters. Lassen Sie zudem Ihre Gesprächspartner miteinander diskutieren und anschließend durch die Kalamität stapfen. Wenn die Bilder inhaltlich passen, können Sie sie in Ihr Video schneiden, damit Sie bei einer längeren Erklärung eines Interviewpartners nicht nur die Person, sondern zwischendurch auch etwas Anderes zeigen können. Das schafft Abwechslung und illustriert im besten Fall, worüber Ihr Interviewpartner gerade spricht.
Am Ende haben Sie also eine Sammlung von Fakten und Zitaten, eventuell auch Ortsbeschreibungen oder Landschaftsaufnahmen. Nun brauchen Sie noch eine Dramaturgie für Ihren Beitrag, damit das Publikum bis zur letzten Zeile bzw. letzten Sekunde dran bleibt. Verkünsteln Sie sich nicht, denn die einfachen und leicht verständlichen Konzepte sind oft nicht die schlechtesten. Beschränken Sie sich zudem auf das Wesentliche – ein Beitrag, ein Thema, eine Botschaft. Wenn Sie alle Exkurse und Zusatzinformationen weglassen, die das Thema sonst noch bietet, ergibt sich der rote Faden fast von selbst. Also zum Beispiel: „Es gab eine Kalamität, da ist Folgendes passiert … Nun streiten sich Konfliktpartei A und B darüber, was zu tun ist: A schlägt X vor und B schlägt Y vor … Es folgen zwei Begründungen von A und B als wörtliche Zitate … Nun gilt es Folgendes zu klären … Bei einer Diskussionsrunde am Soundsovielten wollen wir darüber diskutieren … Sie sind herzlich dazu eingeladen!“

4.4 Community Management

Mit Ihrem Blog, Podcast oder Video möchten Sie die Deliberation voranbringen, daher sollte Ihr Beitrag nicht nur gelesen, gehört oder gesehen werden, sondern auch zum Mitdiskutieren anregen. Sie können einiges tun, um die Wirkung Ihres Beitrags zu erhöhen – und dabei sollten Sie nicht bescheiden oder schüchtern sein: Rufen Sie Ihr Publikum zum Mitmachen auf! Sagen Sie genau, was Sie sich erhoffen: Soll Ihr Beitrag an Freunde und Bekannte weitergegeben werden, freuen Sie sich auf Kommentare zum Thema oder haben Sie eine spezifische Frage an Ihr Publikum? Beenden Sie Ihren Beitrag auf jeden Fall mit einem solchen „Call to Action“. 
Wichtig ist jedoch, dass Sie es ernst meinen und wirklich auf die Rückmeldungen des Publikums gespannt sind. Machen Sie also deutlich, warum Sie an den Meinungen interessiert sind, und erklären Sie, was Sie mit dem Input des Publikums vorhaben. Sie könnten zum Beispiel ankündigen, die interessantesten oder häufigsten Reaktionen in einem weiteren Beitrag zusammenzufassen oder sie zur Einleitung einer Diskussionsrunde zu verwenden. Machen Sie es außerdem Ihrem Publikum einfach: Verwenden Sie keine langen Umfrage-Formulare und stellen Sie keine komplizierten Fragen. Der Aufruf, ein Foto vom Lieblingsplatz im Wald hochzuladen, wird sicher häufiger befolgt werden als ein Aufruf, seine Meinung zum neuen Waldbaukonzept aufzuschreiben.
Sich mit Rückmeldungen aus dem Publikum zu befassen, kostet manchmal Zeit und Nerven. Zum einen erwarten die Menschen, dass Sie ihnen zügig antworten, weil sie nicht wissen, was Sie sonst zu tun haben. Zum anderen kann der Ton harsch sein, wenn die Menschen Ihre Absichten falsch deuten oder Sie in eine falsche Schublade einsortieren. Sie können dem entgegenwirken, indem Sie Einblicke in Ihre Arbeit geben: Wie viel Zeit haben Sie, um sich diesem Konflikt und seiner Entschärfung zu widmen? Und warum machen Sie sich diese Mühe? Auch kurze Hinweise helfen Ihrem Publikum, die Lage zu verstehen. Zudem können Sie für die Diskussion Regeln aufstellen, also eine Netiquette. Es liest zwar niemand die Regeln, bevor sie oder er sich äußert, aber Sie können sich in Ihren Reaktionen darauf berufen. Falls Sie Kommentatoren um Mäßigung bitten oder gar einen Kommentar löschen, tun Sie das dann im Einklang mit Regeln, die für alle gelten – so sehen alle, dass nur mit einem Maßstab gemessen wird (zur Moderation bei Social Media siehe Abschnitt 5.4).

4.5 Weiterführende Literatur

Die Grundgedanken hinter dem kanalübergreifenden (man sagt auch: crossmedialen) Publizieren erläutert Lorenz Lorenz-Meyer in seinem Lehrbuch „Digitaler Journalismus“ (utb 2024). In diesem Buch finden Sie auch ein Kapitel mit einer kurzen Einführung in Podcasts.
Ratgeber zum guten und richtigen Schreiben gibt es viele. Wolf Schneider, Bastian Sick oder Eike Christian Hirsch sind bekannte Autoren in diesem Bereich. Vom Recherchebüro Correctiv gibt es die Wolf-Schneider-KI, die Texte im Stil des verstorbenen Meisters redigiert. Redigieren können aber auch die gängigen Chatbots wie ChatGPT und auch der Schreibassistent „Write“ der Firma DeepL.
Die konstruktiven Fragetechniken gehen auf eine Bewegung zurück, die konstruktiver oder lösungsorientierter Journalismus genannt wird. In Deutschland widmet sich das Bonn Institut diesem Thema, richtet Tagungen aus und veröffentlicht Studien und Ratgeber: https://www.bonn-institute.org/
Das Buch „Journalistisches Schreiben. Grundlagen und Möglichkeiten“ (Reclam 2023) erklärt an Beispielen den journalistischen Schreibstil und wie er sich auf das leicht verständliche Informieren konzentriert.