7. Umfragen und Analysen der medialen Berichterstattung

Überblick über das Kapitel: Neben GIS-Analysen und Besucherzählungen haben wir im „Wir im Wald“-Projekt außerdem in jeder Fallregion Umfragen, Interviews und Medienanalysen durchgeführt. Diese große Datengrundlage ermöglichte uns ein umfassendes Verständnis der Rahmenbedingungen eines Konflikts. Denn Nutzungskonflikte im Wald sind komplex, da unterschiedliche Interessensgruppen aufeinandertreffen und der Wald gleichzeitig mehrere Funktionen erfüllt.
In diesem Kapitel erläutern wir diese Methoden, die aus den Sozialwissenschaften stammen. In den Abschnitten 7.2 bis 7.4 geht es erst um Umfragen, dann um vertiefende Interviews und schließlich um die Analyse von Medienberichten zu einem Konflikt. Vorab diskutieren wir im Abschnitt 7.1, welche Methode für Ihren Fall geeignet sein könnte.

7.1 Auswahl geeigneter Methoden

Wenn sich zwei oder mehrere Personen oder Gruppen uneinig hinsichtlich ihrer Interessen und Ziele sind, kann es zu einem Konflikt kommen – und zwar dann, wenn die gegenseitigen Interessen zu Spannungen oder gar Streit führen. Um eine Konfliktsituation zu verstehen, ist es hilfreich, sich mit den Konfliktbeteiligten auseinanderzusetzen: Was bewegt sie wirklich? Um das herauszufinden, haben wir in jeder unserer vier Fallregionen drei Methoden eingesetzt: erstens eine Umfrage, um Personen zu befragen, die im Wald Erholung suchen; zweitens Interviews mit Expert:innen aus den Bereichen Forst, Tourismus und Naturschutz; und drittens eine sogenannte Medienanalyse, die uns zeigte, was die regionalen und lokalen Zeitungen zum Konfliktthema berichtet haben.
Für welche Methode Sie sich entscheiden, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Möchten Sie zum Beispiel verlässliche Zahlen darüber, wie viele Menschen den Konflikt als störend empfinden, oder möchten Sie genauer verstehen, woran das liegt? Mit einer Umfrage können Sie eine große Anzahl von Menschen erreichen, und haben dann eine gute Basis für statistische Aussagen. Sie wissen dann zum Beispiel, wie weit die Besuchenden angereist sind und wie zufrieden sie mit ihrem Besuch sind. Statt einer Umfrage können Sie auch intensive Einzelgespräche führen, um tiefergehende qualitative Einblicke in die Motivation und Wahrnehmung der Erholungssuchenden zu bekommen. In den Sozialwissenschaften sprechen wir von Interviews, doch im Unterschied zu journalistischen Interviews (siehe Kapitel 4) gehen wir systematischer vor und gehen bei jedem Interviewpartner dieselben Fragenkomplexe durch. (Wir haben, wie gesagt, keine Erholungssuchenden interviewt, sondern Personen mit einem umfangreichen Wissen über den jeweiligen Konflikt.) Schließlich gibt es noch die Medienanalyse, in der Sie herausfinden, was in den Zeitungen und Medien über die Situation berichtet wurde und wird. Das kann aufschlussreich sein, denn Sie bekommen einen Überblick darüber, wer den Ton angibt und wer vielleicht die öffentliche Meinung prägt.
Letztlich hängt die Wahl der Methode auch davon ab, wie viel Zeit, Geld und Know-how Ihnen zur Verfügung stehen. Für die Auswertung benötigen Sie einige Kenntnisse in der Statistik und sollten mit Programmen wie Excel vertraut sein. Zudem benötigen Sie Personal, um Interviews zu führen oder Fragebögen zu verteilen (falls die Umfrage auf Papier beantwortet werden soll). Egal welche Methode Sie wählen: Rechnen Sie mit einigen Wochen von der ersten Idee bis zur Präsentation der Ergebnisse.

7.2 Umfragen erstellen und auswerten

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihnen eine Umfrage zum Konflikt helfen könnte, die Gemengelage besser zu verstehen, sollten Sie zunächst die Zielsetzung und die Zielgruppe festlegen: Was möchte ich herausfinden? Wen möchte ich befragen? Im „Wir im Wald“-Projekt haben wir uns an Erholungssuchende im Wald gewandt und sie direkt vor Ort gefragt, mit welchen Motiven und mit welchen Einstellungen sie im Wald aktiv sind. Sind sie zum Beispiel auf Ruhe aus oder möchten sie etwas erleben? Wie häufig üben sie ihre Freizeitaktivität aus und könnten sie diese prinzipiell auch in einem anderen Wald ausüben? Fühlen sie sich von anderen Erholungssuchenden gestört? Wie wichtig ist ihnen der Erhalt der Natur? Und kennen sie die Regeln, die im Wald gelten? Der Fragebogen war nicht gerade kurz.
Aus den abgefragten Einstellungen, Werten und Verhaltensweisen wollten wir ableiten, welche Faktoren den Konflikt bzw. das Konfliktempfinden verstärken. Es zeigte sich zum Beispiel im Konflikt zwischen Radfahrenden und Wandernden im Stadtwald von Freiburg, dass der Konflikt dort nur selten als störend empfunden wurde. Für Erholungssuchende, bei denen das Wandern bzw. Radfahren einen besonderen Stellenwert im Leben hat, stellte sich die Lage jedoch etwas anders dar: Sie schätzten den Konflikt intensiver ein.
Für die Konzipierung des Fragebogens empfiehlt es sich, mit einer Literaturrecherche zu beginnen, denn häufig gibt es für gleiche oder ähnliche Themen bereits einen erprobten Fragebogen von anderen Forschenden. Das kann bei begrenzten Kapazitäten Zeit sparen. Sie können aber auch selbst einen eigenen Fragebogen entwickeln. Zusätzlich kann es nützlich sein, mit Personen im Vorfeld zu sprechen, die mit dem Thema Erfahrung haben.
Sobald Sie sich ausreichend mit dem Thema befasst haben, das Sie untersuchen möchten, entwickeln Sie Ihre Fragen und Aussagen (sogenannte Items) für den Fragebogen. Hier wird zwischen offenen und geschlossenen Fragen unterschieden. Geschlossene Fragen geben feste Antwortmöglichkeiten vor und der/die Befragte kreuzt seine Antwort an. Bei offenen Fragen antworten die Befragten frei in eigenen Worten. Ob offene oder geschlossene Fragen oder ob gemischte Varianten sinnvoll sind, hängt vom Untersuchungsziel ab. Beide Fragetypen haben Vor- und Nachteile und erfüllen unterschiedliche Zwecke. Wir haben uns für eine Mischvariante entschieden, d.h. einen Fragebogen aus offenen und geschlossenen Fragen erstellt. Die geschlossenen Fragen lassen sich einfacher beantworten und man erreicht mehr Menschen. Die vielen Antworten lassen sich mit statistischen Programmen gut auswerten. Die offenen Fragen erlauben den Befragten, zusätzliche Aspekte anzusprechen. Allerdings muss man diese Antworten einzeln durchgehen und interpretieren.
In Bezug auf geschlossene Fragen empfiehlt es sich, bei der Formulierung der Fragen von der Auswertung her zu denken: Welche Antwortmöglichkeiten gebe ich der Frage und welche Auswertungsmethode erlaubt diese Antwort? Beispielsweise unterscheiden sich die Auswertungsmöglichkeiten darin, ob eine Antwort aus einer einfachen Ja/Nein-Option oder aus einer mehrstufigen Zustimmungsskala besteht. Solche Abwägungen sind relevant, damit Sie am Ende auch genau das herausfinden, was Sie wissen möchten. Achten Sie bei den Formulierungen darauf, dass sie neutral und sachlich formuliert sind, ohne Wertung. Wenn Sie beispielsweise nach der Zufriedenheit fragen wollen, eignet sich eine neutrale Frage wie „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem heutigen Aufenthalt im Wald?“ oder einfach „Sind Sie zufrieden mit Ihrem heutigen Aufenthalt im Wald?“, falls Sie sich nicht für die Grautöne zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit interessieren. Bei einer Frage wie „Bewerten Sie Ihren Aufenthalt im Wald diesmal als zufriedenstellend?“ hört man hingegen einen Unterton heraus. Bei den Antwort-Punkteskalen ist eine logische Reihenfolge beizubehalten, etwa eine mehrstufige Skala von „absolut unzufrieden“ bis „absolut zufrieden“.
Grundsätzlich gilt, je präziser und kürzer die Fragen und Items, desto besser. Denn lange und komplizierte Fragebögen führen zur Ermüdung oder zu einem frühzeitigen Abbruch der Befragten. Damit gehen Datenverluste einher, die sich vermeiden lassen, wenn Sie sich für die Konzipierung des Fragebogens ausreichend Zeit nehmen. Wenn Sie den Fragebogen erstellt haben, lassen Sie ihn von anderen Personen testen, die nicht an der Erstellung beteiligt waren. Es müssen nicht viele sein. Ein solcher Pre-Test ist wie eine Generalprobe und stellt sicher, dass alle Fragen verständlich formuliert sind.
Bevor es mit dem fertigen Fragebogen „ins Feld“ geht, wie es im Fachjargon der Sozialwissenschaften heißt, sind noch grundsätzliche Fragen zum Vorgehen zu klären: Wie groß soll die Stichprobe sein? Als allgemeine Richtlinie gilt, dass eine Stichprobengröße von mindestens 30 die Grundlage für statistische Annahmen bietet. Generell gilt, je größer die Stichprobe, desto stärker die Repräsentativität – desto sicherer können Sie sich also sein, dass die Antworten der Befragten charakteristisch sind für die Meinung der gesamten Zielgruppe.
Befragung am Rothaarsteig im Hochsauerland. (Quelle: Wir im Wald)
Soll die Umfrage online oder vor Ort stattfinden? Bei Vor-Ort-Befragungen müssen Sie einen geeigneten Ort festlegen: zum Beispiel einen Ort, an dem Waldbesuchende gerne Rast machen und Zeit haben für einen Fragebogen. Sie sollten natürlich ausreichend Pufferzeit einplanen, denn manchmal fällt eine Umfrage ins Wasser und muss an einem anderen Tag bei besserem Wetter wiederholt werden. Unsere Erfahrung war, dass man Erholungssuchende mit einem Müsliriegel als Geschenk besser zum Mitmachen motivieren kann als mit dem bloßen Hinweis, zu einem Forschungsprojekt beizutragen. Bei Online-Befragungen sollten Sie sich überlegen, über welche Multiplikatoren und Verteilpunkte die Umfrage gestreut werden kann. Zu Beginn unseres Projekts haben wir zum Beispiel in einer bundesweiten Umfrage erhoben, welche Konflikte im Wald besonders drängend sind. Dazu haben wir zahlreiche Verbände und Behörden gebeten, den Link zur Umfrage über ihre Newsletter oder Mitgliedszeitschriften zu verbreiten.
Wenn Sie genügend Fragebögen beisammen haben, beginnt die Auswertung der Daten. Geschlossene Fragen werden mit sogenannten inferenzstatistischen Verfahren ausgewertet, wofür verschiedene Statistik-Softwareprogramme zur Verfügung stehen. Wir nutzten die Software „SPSS“. Hierfür war eine Lizenz erforderlich. Einfache Grafiken und Tabellen können Sie aber auch mit den gängigen Programmen zur Textverarbeitung oder Tabellenkalkulation erstellen.
Um die Ergebnisse abzubilden, bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Zunächst einmal können Sie die Häufigkeit der Antworten in einer Tabelle oder einem Balkendiagramm darstellen. Hilfreich ist auch, den prozentualen Anteil auszurechnen, wie wir es in der Grafik getan haben. Dann sehen Sie auf einen Blick, ob und wo besonders viele oder besonders wenige Personen ihr Kreuz gesetzt haben.
Prozentuale und absolute Häufigkeitsverteilung zur Reaktion auf Störungen – Ergebnisse aus der Besucherbefragung am Rothaarsteig im Hochsauerland. Insgesamt haben 201 Befragte diese Frage beantwortet.
Wenn es mathematisch sinnvoll ist, können Sie auch Mittelwerte berechnen und vergleichen: Wenn Sie zum Beispiel gefragt haben, wie gut die Befragten ihre Freizeitaktivität im Wald ausüben können, könnten Sie anschließend prüfen, ob alle Nutzendengruppen gleichermaßen zufrieden sind. Achten Sie aber darauf, die Unterschiede zwischen den Antworten nicht überzubewerten. Leichte Unterschiede sind immer zu erwarten, relevant werden die Unterschiede erst, wenn sie groß sind. Natürlich gibt es auch statistische Methoden, um zu berechnen, wie „belastbar“ ein solcher Unterschied ist. Ein Beispiel hierfür ist die Varianzanalyse, mit der überprüft wird, ob es signifikante Unterschiede zwischen den Mittelwerten mehrerer Gruppen gibt.
Waren im Fragebogen auch offene Fragen enthalten, gehen Sie diese einzeln durch und kategorisieren sie nach Themen. Wenn Sie zum Beispiel offen nach weiteren Anregungen für die Konfliktentschärfung gefragt haben, können Sie die Antworten danach kategorisieren, welchen Ansatz die/der Befragte empfiehlt. Wenn Sie mehrere offene Fragen gestellt haben oder die Befragten ausführlich geantwortet haben, können Sie das Textmaterial mit einem Programm wie MAXQDA auswerten. Mit diesem Werkzeug können Sie Textpassagen je nach Thema markieren (man sagt auch: „kodieren“) und erhalten am Ende eine übersichtliche und nachvollziehbare Auswertung der gesamten Markierungen (mehr dazu im Abschnitt 7.4).
Zusammenfassend lassen sich für die Durchführung einer Umfrage folgende Schritte festhalten:
Definition der Zielsetzung und der Zielgruppe
Planung der Erhebungsform (u.a. online oder vor Ort, Zeitraum, Ort der Befragung)
Konzipierung des Fragebogens: präzise und kurze Fragen
Geeignete Auswertungsmethoden wählen und diese bereits bei der Konzipierung der Fragen berücksichtigen
Ergebnisse anschaulich darstellen, z.B. in Form von Grafiken

7.3 Interviews durchführen und auswerten

Die Durchführung eines Interviews beginnt ähnlich wie bei einer Umfrage. Zunächst sind die Zielsetzung und die Zielgruppe festzulegen. Unser Ziel war es, das „Feld“ explorativ zu untersuchen, d.h. zu erkunden, wie die Konfliktbeteiligten in einer Region auf ihren spezifischen Konflikt schauen. In unserem Fall handelte es sich um ein sogenanntes Experteninterview. Der Begriff des „Experten“ bzw. der „Expertin“ meint in unserem Kontext jene Interessensvertreter:innen, die durch ihre Funktionen und Rollen in der jeweiligen Fallregion über Sach-, Prozess- und Bewertungswissen verfügen.
Was bei einer Umfrage der Fragebogen ist, ist bei einem Interview der Leitfaden. Es geht im nächsten Schritt also darum, sich zu überlegen, wie die Fragen formuliert werden sollen. Um sich Inspiration für passende Fragestellungen zu holen, können Sie auch hier in die Fachliteratur schauen. Darauf aufbauend formulieren Sie konkrete Leitfragen, die aus Haupt- und Unterfragen bestehen können. Formulieren Sie W-Fragen, denn dadurch wird der Befragte zum Erzählen angeregt und es entstehen „Rede-Impulse“: Wer? Was? Wo? Wann? Wie? Warum? Beginnen Sie das Gespräch mit einer breiten Erzählaufforderung oder einer lockeren Einstiegsfrage. Formulieren Sie die Fragen klar und verständlich. Das stellt sicher, dass sie für die Zielgruppe nachvollziehbar sind. Ähnlich wie bei der Umfrage empfiehlt es sich auch bei Interviews einen Pre-Test durchzuführen, um den Leitfaden zu prüfen und Schwachstellen zu identifizieren.
Im Projekt haben wir die Erfahrung gemacht, dass es die Informationsdichte des Interviews erhöht, wenn der Fragebogen den Interviewpartner:innen vorab zugesendet wird. Dies bietet den Befragten die Gelegenheit, sich inhaltlich vorzubereiten. Andere Disziplinen, wie beispielsweise der Journalismus, handhaben es andersherum: um die Spontaneität zu wahren, werden die Fragen vorab nicht zugesandt. Für welche Variante Sie sich entscheiden, hängt von Ihrem eigenen Ermessen und der Situation ab. Des Weiteren sollten Sie vorab die Datenschutzeinwilligung der Befragten einholen, insbesondere wenn Sie das Interview aufzeichnen möchten. Nachdem Sie schließlich geklärt haben, ob Sie das Interview online oder persönlich durchführen, kann es losgehen.
„Die Interviews mit den Expert:innen im Stadtwald Freiburg haben mir gezeigt, wie unterschiedlich derselbe Wald erlebt und genutzt wird – und wie wichtig es ist, regionale Besonderheiten, individuelle Bedürfnisse und alle Perspektiven wahrzunehmen, um Konflikte durch Austausch und Begegnungen vor Ort nachhaltig entschärfen zu können.“
Giulia Ovcina
Studentin | Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg
Im Gespräch arbeiten Sie den Leitfaden ab, dürfen aber auch davon abweichen und zum Beispiel nachhaken, wenn Sie etwas nicht richtig verstanden haben. Das Interview ist empirisch gesättigt, wenn sich während des Gesprächs keine neuen Informationen mehr ergeben. Es lohnt sich also, nachzufragen und die Themen während des Gesprächs zu vertiefen, um zu einer solchen Sättigung zu gelangen. Der Leitfaden dient als Anhaltspunkt für das Interview, um den roten Faden beizubehalten. Es empfiehlt sich aber dennoch, flexibel in der Gesprächsführung zu bleiben, um auch auf unerwartete Aspekte eingehen zu können.
Sind alle Interviews abgeschlossen, geht es an das Transkribieren der Tonaufnahmen. Hierfür können Sie digitale Werkzeuge nutzen; man muss heutzutage nicht mehr alles selbst abtippen. Aber Sie sollten die Texte vorher anonymisieren, um keine Namen oder wiedererkennbare Situationen in die Transkriptions-Software zu spielen. Mit den verschriftlichten Interviews steigen Sie in die Auswertung ein. In der Theorie gibt es hierfür verschiedene Auswertungsraster. Wir orientierten uns an der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring. Die Auswertung beinhaltet eine Kodierung der Textbausteine nach Themenfeldern, d.h. Sie kategorisieren wichtige Passagen aus dem transkribierten Text. Wenn Sie etwa an Beispielen für Konfliktsituationen interessiert sind, markieren Sie alle Stellen, an denen solche Beispiele genannt werden. Anschließend können Sie diese Beispiele in verschiedene Typen unterteilen. Damit Sie die Passagen einheitlich markieren, sollten Sie für jede Kategorie eine Definition und ein typisches Beispiel (ein sogenanntes Ankerbeispiel) formulieren und in einer Tabelle festhalten. Ein Beispiel für eine solche Kodierung gibt nachfolgende Tabelle. Die Tabelle zeigt einen Auszug der Kodierung unserer Interviews in der Fallregion Freiburg.
Auszug aus den Kodierregeln der Expert:inneninterviews in Freiburg. (Quelle: Giulia Ovcina, 2025)
Die Tabelle zeigt, wie sich die Aussagen der Interviewpartner (Ankerbeispiele) in Haupt- und Subkategorien zuordnen lassen und so eine Interpretation der Ergebnisse möglich wird. Die Definitionen der Konflikte sind aus der Fachliteratur entnommen. Somit erhält die Zuordnung der Ankerbeispiele eine theoretische Grundlage und ist damit nicht einfach eine subjektive Beurteilung des Interviewers. Ein nützliches Programm, das viele Textbausteine kodieren kann, ist MAXQDA (mehr dazu im Abschnitt 7.4).
Zusammenfassend lassen sich für die Durchführung von Interviews folgende Schritte festhalten:
Definition der Zielsetzung und der Zielgruppe
Planung der Erhebungsform: u.a. online oder persönlich, Zeitpunkt, Dauer des Interviews
Konzipierung des Interviewleitfadens: W-Fragen, Flexibilität zulassen
Datenschutz beachten und Einverständnis für die Aufzeichnung bei dem/der Interviewpartner:in einholen
➝ Kodierung der transkribierten Texte mit einer geeigneten Software
Diese Schritte geben einen Anhaltspunkt, was bei der Durchführung eines Interviews zu beachten ist. Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit Umfragen und Interviews empfiehlt sich beispielsweise das Standardwerk „Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften“ von Nicola Döring (2023).

7.4 Die mediale Berichterstattung analysieren

Konflikte sind nicht nur auf individueller Ebene sichtbar, sondern können sich auch in die Medien verlagern. Wenn beispielsweise ein Konflikt eskaliert oder wenn sich Konfliktbeteiligte an eine Redaktion wenden, entstehen Zeitungsartikel zu diesem Konflikt. Redaktionen haben ein Faible für Streit, weil solche Nachrichten gerne gelesen werden, aber sie suchen auch nach Themen, die im öffentlichen Interesse liegen – und Nutzungskonflikte betreffen nicht selten die ganze Gesellschaft. Daher lassen sich in vielen Fällen Konflikte auch über die Berichterstattung in den Medien nachvollziehen. Durch eine Analyse von Zeitungsberichten oder Online Artikeln lässt sich oft rekonstruieren, wie ein Konflikt entstanden ist und wer in der Diskussion welche Position vertritt.
In den Sozialwissenschaften nennt man solche Analysen „mediale Diskursanalysen“. Sie rekonstruieren nicht nur die Geschichte eines Konflikts, sondern untersuchen auch, wie Medienberichte die öffentliche Debatte geprägt haben – vielleicht sogar die öffentliche Wahrnehmung eines Konflikts beeinflusst oder verändert haben. Die Medien fungieren als Vermittler zwischen der Öffentlichkeit und den komplexen Rahmenbedingungen von Konflikten. Damit schaffen sie für das Publikum eine aufbereitete „Medienrealität“. So etwas herauszufinden ist für die Entschärfung eines Konflikts relevant, denn sie lässt uns verstehen, wie über ein Konfliktthema berichtet wird, und hilft somit die sozialen Strukturen hinter Erholungskonflikten zu verstehen.
In einer Diskursanalyse werden verschiedene Texte auf einen gemeinsamen Diskurs, also eine Aussage zu einem bestimmten Thema, untersucht. Diesem Projekt wird die Diskursanalyse nach Maarten Hajer zugrunde gelegt; eine Einführung dazu findet sich im „Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse: Band 1: Theorien und Methoden“ von Reiner Keller und Kolleg:innen. Zunächst geht es darum zu identifizieren, welche Akteure in dem Konflikt aktiv sind (also von den Medien zitiert werden) und welche Gruppen sich durch ähnliche Argumente oder Ziele zusammenfinden.
Grundlage für unsere Diskursanalyse waren Zeitungsartikel der regionalen Tages- und Lokalzeitungen. Zugang zu den Archiven der Zeitungen erhalten Sie beispielsweise über Online-Zugänge, Probe-Abos oder durch persönliche Anfrage der Redaktionen. Bei einer Diskursanalyse können auch andere Quellen, wie beispielsweise Gesetzestexte, Reden oder offizielle Berichte, untersucht werden. Im Projekt „Wir im Wald“ haben wir uns auf Zeitungsartikel aus der Region beschränkt (gedruckt und online), denn die Konfliktthemen sind sehr regionsspezifisch.
Sind die Quellen festgelegt, überlegen Sie sich, wie weit in der Zeit zurück Sie die Archive untersuchen wollen. In der Fallregion Landkreis Miesbach beispielsweise haben wir uns auf den Zeitraum 2017 bis 2024 beschränkt. Die Festlegung eines Zeitraumes sowie die Abgrenzung des Themas, das untersucht werden soll, hilft, sich in der Menge an Zeitungsartikeln nicht zu verlieren. Im nächsten Schritt definieren Sie konkrete Suchbegriffe, nach denen Sie die Zeitungsartikel sichten wollen. In Miesbach untersuchten wir das Konfliktthema „Hohes Besucheraufkommen und die Folgen für Wildtiere und Vegetation“. Die Suchbegriffe wurden demnach so gewählt, dass sie das Konfliktthema möglichst umfassend abdecken, darunter Begriffe wie „Wildtiere“, „Besucherdruck“, „Rücksicht“, „Naturtourismus“ etc.
 
Um die Übersicht zu behalten, in welchem Zeitungsartikel welche Information steht, empfiehlt es sich, eine Excel-Tabelle anzulegen mit Namen, Titel und Datum des Zeitungsartikels sowie den relevanten Zitaten. Diese Excel-Tabelle sammelt alle gewonnen Daten. Die Auswertung dieser Daten erfolgt ähnlich wie bei den Interviews durch ein Kodiersystem der Textbausteine (siehe Abschnitt 7.3). Auch hier verwendeten wir das Programm MAXQDA. Beim Kodieren markieren Sie einzelne Wörter oder Sätze und ordnen Sie einer thematischen Kategorie zu. Zum Beispiel markieren Sie eine Person oder Einrichtung und ob sie eine bestimmte Position befürwortet oder ablehnt. Wenn Sie mehr und mehr Artikel durcharbeiten werden Ihnen Muster auffallen: Manche Argumente werden häufiger genannt als andere, manche Geschichten (Narrative) haben sich vielleicht durchgesetzt. In der Fachliteratur gibt es verschiedene Vorgehensweisen für die Datenauswertung für Diskursanalysen. Wir orientierten uns an der „Wissenssoziologischen Diskursanalyse“ von Reiner Keller, die im o.g. Handbuch erschienen ist.
Auszug aus dem Kodiersystem in MAXQDA im Rahmen der Diskursanalyse im Landkreis Miesbach. Die Abbildung zeigt links die identifizierten Akteure und rechts die jeweilige Position der Akteure zum Konfliktthema „Hohes Besucheraufkommen und die Folgen für Wildtiere“. Die Zahlen geben die Häufigkeiten an, die rote Farbe kennzeichnet eine besonders hohe Zahl.
Zusammenfassend lassen sich für die Analyse medialer Berichterstattung folgende Schritte festhalten:
Festlegung der Quellen, z.B. Zeitungsartikel der regionalen Tages- und Lokalzeitungen sowie Zugang zu diesen Quellen verschaffen
Festlegung eines Zeitraumes für die Recherche
Abgrenzung des Themas und Festlegung von Suchbegriffen
Auswahl einer geeigneten Auswertungsmethode und Kodierung der Textbausteine
Ergebnisse interpretieren und anschaulich darstellen